DAS IST DIE HOMEPAGE VON MARTIN LUKSAN UND DES VEREINS FÜR RHETORIK UND BILD

 
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Rundfunk als Werbe-Event

„Franz Schuh trifft Andre Heller“ in Ö 1 und herauskam eine komische Doppel – Conference, bei der die beiden vage Sachverhalte wie das „Wesen von Wien“ und „Was ist ein Mensch?“ flockig kommentierten. Zwei Interviews, in denen der eine den andern bohrend befragte, oder zwei gebaute Porträts, die einem Schuh und Heller auch von außen zeigten, gab es nicht. Stattdessen, wie gesagt, nur eine Conference des Eigenen, die man auch eine „Doppel PR“ nennen könnte, weil sich die beiden Persönlichkeiten selber präsentierten und dabei ihre gegenseitige Hochachtung betonten. Schuh: „,dass ich am Ende meines Lebens auch einmal Sie habe treffen können“, Heller: „bin sehr dankbar dafür, dass ich mit Ihnen sprechen darf.“

An sich steht der ORF in einer Tradition des Porträts, das er oft in einer Nachrichtensendung gut platziert. Und auch das Interview – Format von Kerbler/Schmidtkunz will mehr sein als der bloße Raum für das In - Szene – Setzen einer Person. Die raunzige Jubelsendung von Schuh und Heller warf aber nur Licht, keinen Schatten, und sie war auch kein echtes Interview, wo der Fragende ein Informationsziel haben muss, vor allem wenn der Gast eine Philosophie vertritt. Stattdessen durften die beiden „Ausnahmekünstler“ (so werden sie von Journalisten genannt) über die Künstlermentalität in Wien, über die Wiener Kaffeehäuser und über Aspekte ihrer Sozialisation ziellos nachdenken.

„Schuh trifft Heller“ war aber auch kein Format, durch das das Medium sich selber hätte ironisieren können. Es war frei von Ironie. Trotz der vielen Formulierungspointen. Von den besagten Selbstdarstellungen lässt sich eines gewiss nicht sagen, dass die Sendung das benutzte Medium (Radio) vorgeführt und dessen Peinlichkeit entblößt hätte. Die Sendung „Nette Leit Show“ des Hermes Phettberg (und des Kurt Palm) hat diesen Effekt aber bewirkt und hat aus diesem Grund ein neues TV – Format sogar angestoßen. Durch Kreativität und Widerstandsgeist im Außenseiter – Milieu geboren, entstand diese Show auf der Bühne eines ehemaligen KPÖ - Speisesaales in Wien – Brigittenau.

Das zum Porträt hin neigende Interview wurde hier in der Tat krass parodiert. Dies geschah durch einen „150 kg schweren Schwulen mit Hang zum Sadomasochismus“ (K. Palm, Vorort, In: Via Dolorosa, Hg. Clemens K. Stepina, Wien 2020). Gemeint ist Hermes Phettberg (Josef Fenz), den der ORF durch Übertragung und Produktion in eine große Öffentlichkeit hinein hob und dadurch schlagartig bekannt machte. Er war dieser schlimm aussehende Mann im braunen Anzug, der sich ständig lange Locken aus dem Gesicht strich, sich die eigene Hand begütigend auf die Brust legte und mit klarer Stimme halb direkt, halb akademisch seine lockeren und semi-lockeren Gesprächspartner mit Fragen traktierte. Laut seiner Anhänger hat die Welt „seinen Intellekt, seinen Witz, seine brillante Rhetorik“ geliebt, doch in Wahrheit genossen die Zuschauer die Anarchie respektive die Anstachelung zur Schadenfreude durch diese Sendung. Sie freuten sich, wie K. Palm sinngemäß schreibt, dass einmal nicht die Schönen, die Starken und die Tüchtigen im Fernsehen was Gutes sagten (K.P., a.a.O.)

Die Eleganz der Darstellung im Fernsehen wurde schon in den 1970ern beklagt. Dass der Zuschauer auf eine Art und Weise, die ihn eigentlich beleidigen müsste, nur elegante Leute und elegante Spiele zum Anschauen bekommt (Klage von M. Walser). In den 1980ern kam die Kritik am Werbesprech hinzu. Die Moderatoren und Kommentatoren formulierten nur gestanzte und bildhafte Sätze, wodurch es im TV bunter und unterhaltsamer zuging und der Metaphern – Nebel richtig dick wurde (Klage von N. Postman). Die Sendung von Phettberg (Mitte der 1990 er) war das Gegengift gegen diese Tendenzen, denn hier war die Gestalt weder elegant noch war die Rede frei von Begriffen. Die Kronen Zeitung beklagte außerdem bestimmte Außenseiter – Aspekte, die sie „grindig“ und „abseitig“ nannte; und der nicht mehr ganz starke Hans Dichand wollte allen Ernstes die Entlassung von Regisseur Kurt Palm durch eine Intervention im ORF herbeiführen.

Keine echte Selbstkritik (schwer), keine Selbstironie (leicht), zu wenig verschiedene Aspekte bei der Betrachtung des Sachverhalts, keine bohrenden (geschlossenen) Fragen, die Gestalter der Sendung stellen sich selber vor, wobei ihnen Hölzer geworfen werden. Unter solchen Bedingungen müssen die Interviewten nichts Falsches sagen und sie können gut formulieren, ohne dass die höhere Peinlichkeit nicht entsteht. Durch die Eingeschränktheit der Fragen und durch die Ich – Versponnenheit der Antworten kommt die Peinlichkeit zustande. Der ORF hat offenbar Formate der Privatsender vor Augen, in denen sich weithin gelobte Promis selber präsentieren. Er schielt überhaupt seit langem zum Kommerz hin, als hätte er die Rundfunkgebühr schon verloren (das product placement, die Werbeeinschaltungen, die Reality Show und eben auch diese unkritischen Formate).

Lorenz Helfer
Lorenz Helfer, interessanter, gegenständlicher Maler

Es gibt aber noch was Ärgeres als ein bloß eitles Gespräch mit eingeschränkten Themen, und das ist die Werkbesprechung via Porträt und Interview. So geschehen in Ö 1 in einer Sendung von Sophie Menasse über das Lyrik-Buch von Michael Köhlmeier und dessen Illustrierung durch den Sohn Lorenz Helfer, unter Einschaltung von Monika Helfer, der Gattin von Köhlmeier. Hier hat eine Familie eine Sendung lang ein Buch, für das es in „Ex Libris“ nicht mehr als drei Minuten Rezension geben würde, sowie die Miniaturen sowie die eigene Kreativität, die von Vater, Mutter und Kind, scheinbar unschuldig präsentiert. Dabei sind auch hier die Genannten ehrenwerte Leute (Könner), doch darum geht es nicht. Es geht um PR – Werbung hinter der Information. Und dadurch, dass es im Großen Rundfunk nicht wie früher einen Redakteur, einen Abteilungsleiter, einen Direktor gibt, der sagte: Bitte nicht! Das ist versteckte Werbung!

© M.Luksan, März 2022

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