DAS IST DIE HOMEPAGE VON MARTIN LUKSAN UND DES VEREINS FÜR RHETORIK UND BILD

 
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Der Amtsträger als Durchstecher

2004. Der österreichische Minister Karl-Heinz Grasser erfüllte den politischen Willen seines Kabinettschefs Wolfgang Schüssel und bot staatliche Wohnbau- und Wohnbesitz-Firmen auf dem freien Markt zum Verkauf an. Die Sache lief relativ geheim ab, weil die Journalisten während der Bieterrunden kaum was zu berichten wussten und weil auch der Verkauf dieser wertvollen Firmen in der Öffentlichkeit nicht beobachtet werden sollte. Selbstverständlich sollte der Minister das Buwog-Paket für den höchstmöglichen Preis verkaufen. Nach der ersten Bieterrunde lag das Höchstangebot bei 960 Millionen Euro. Das war top secret, denn das Ganze sollte nicht wie eine Auktion ablaufen, bei der der eine den andern geringfügig überbietet. Dennoch belief sich das siegreiche Angebot in der zweiten Runde auf ausgerechnet 961 Millionen Euro. Ein Konsortium hatte es vorgelegt, das aus Immofinanz und Raiffeisen Landesbank Oberösterreich bestand. Ihm war das Wohlwollen von W. Schüssel sicher.

Wolfgang Schüssel und Karl-Heinz Grasser im Parlament
Foto: Wolfgang Schüssel und Karl-Heinz Grasser im Parlament.

Eine Schiebung, zweifellos. Doch im gegenwärtigen Buwog-Prozess gegen K.-H. Grasser und Mittäter geht es gar nicht um den tatsächlichen Wert der Buwog und um den Schaden für die Republik, sondern um eine betrügerische Provision. Wenn der politische Wille schon da war, weil die - gewählte – Regierung zur Schwächung des österreichischen Staates geneigt war (sie nennen es „schlanker machen“), dann hätte ein mündlich gegebener und spurenlos gebliebener Tipp von einem Büro ans andere vollauf genügt. Es kam aber außerdem zur Auszahlung dieser Provision von 9,6 Millionen Euro. Sie wurde an einen offiziellen Rechnungsleger bezahlt. Und lukriert von vier Personen zu je 2,4 Millionen Euro pro Person.

Der Rechnungsleger war der Werbeagentur–Chef und Lobbyist Peter Hocheger. Er war der Mann, der hier das Vertrauen des Weiterleiters besaß. Von ihm durften die anderen Durchstecher die Versteuerung des Betrags sowie die klaglose Weiterleitung des Gros des Geldes erwarten. Er hatte zur Immofinanz bereits eine Geschäftsbeziehung und er war – last not least – von weiter Welt umweht. Er musste ja mit Hilfe seiner Briefkastenfirma in Zypern (weil ein Steuerparadies) drei Viertel der Provision über die USA nach Vaduz schicken. Dort wurde das Geld auf drei Konten verteilt, die extra eröffnet wurden. Hochegger traf den „Manager“ dieser Konten in Vaduz, einen Bankberater, in einem Wiener Hotel. Er zeigte ihm die bezahlte Rechnung und ließ sich von ihm die drei Konten zeigen. Zwei für die Grasser-Freunde Ernst Karl Plech und Walter Meischberger, und eines, das keinen Frauennamen trug und nur aus einer Nummer bestand. „Das gehört eurem Finanzminister, dem Herrn Grasser.“ Man möchte Hochegger den Blitz nicht glauben, der ihn getroffen haben soll, als der Mann aus Liechtenstein das wörtlich sagte. Doch wenn man bisher nur die Logik der Schiebung und die Schaffung von Schwarzgeld durch eine Provision beachtet hat (soll heißen: Auch Plech und Meischberger müssen einen Teil ihres Geldes weiterleiten), dann könnte einen das plötzliche Auftauchen von K.-H. Grasser als Schmiergeld–Nehmer tatsächlich überraschen.

Ein oberster Amtsträger verursacht einen Verkauf und erzwingt dafür eine Provision. Diese lässt er an Drittpersonen und gleich an sich selber überweisen. Beim Kriminalfall Terminal Tower Linz (er wurde jetzt vom Buwog–Prozess abgetrennt) ist der Geldfluss bis zum obersten Durchstecher nicht nachverfolgbar. Hier hat der Baukonzern Porr offenbar nur dafür bezahlt, dass der österreichische Finanzminister oberösterreichische Finanzämter in dem neu erbauten Hochhaus einmietete, eine Provision von 200 tausend Euro an Peter Hochegger. Dieser darf sich diesmal von der Provision nur 20 tausend Euro nehmen, den Rest muss er an Walter Meischberger weiterleiten. In dem Harold Pinter – artigen Telefondialog, den der FALTER 2013 abdruckte und der auf einem Abhörprotokoll basiert, kommt Meischberger gegenüber Grasser zur Sache. Er sagt wörtlich: „Er (Hochegger, Anm. M.L.) kann aber sagen, dass die Rechnung eine Geschichte von dir war und er nur als Rechnungslink gedient hat (…) was auch logisch ist, durch die 90 zu 10 Aufteilung.“ FALTER, 37/13)

Grasser wünschte hier offenbar von Anfang an, dass für die Vermittlung von Porr mit seiner Person eine Provision bezahlt werde. Porr nennt das „Beratung“ und meint damit das Wegschaffen von politischen Hindernissen bei der Errichtung und Nutzung des besagten Hochhauses. Nur ein Jahr nach dem Fließen der Buwog–Provision sollen Hochegger und Meischberger mit Horst Pöchhacker, dem SPÖ – nahen Chef von Porr, über die Provision erstmals gesprochen haben. Diese war aber rein logisch nicht nötig, weil wegen der Ausstattung des Hochhauses und der anfallenden Baukosten der Minister ohnehin die ganze Zeit über in Kontakt mit der Baufirma/dem Bauherrn stand.

Beim Deal mit Porr war anders als beim Deal mit der Immofinanz kein politischer Wille im Spiel. Der Finanzminister war durch eine Erwartung des Bundeskanzlers nicht eingeschränkt. Horst Pöchhacker äußerte sich über Provisionen an Peter Hochegger in einem Interview. Er sagte: “Hochegger war anerkannter Lobbyist. Bei einem Lobbyisten kaufen Sie seine Verbindungen und sein Wissen.“ Hochegger erhielt Geld, „damit er seine guten Beziehungen zur schwarzblauen Regierung nutzt“. (H. Pöchhacker, interviewt von Michael Nikbakhsh, PROFIL.at, 13.10.12) Bei der Buwog aber gab es keine politischen Hindernisse. Der Exchef der Immofinanz prägte im gegenwärtigen Verfahren das Wort „Geschäftsbesorgung“ und gab sich ansonsten völlig unschuldig. „Der Buwog – Kauf war für meine Gesellschaft ein Riesengeschäft. Was also werfe man ihm vor?“ (Wolfgang Höllrigl, pointiert in „Heute“, 25.01.18) Er betonte den Erfolg des Ganzen und wollte Hochegger durchaus für Insider–Tipps bezahlt haben. Damit lenkte er aber von Karl-Heinz Grasser und der damaligen Machenschaft nicht ab.

Wer immer Peter Hochegger eine Scheinrechnung bezahlt hat, hat keinen Beratervertrag über das Wegschaffen politischer Widerstände oder über das Besorgen geheimer Nachrichten verfasst. Hochegger musste ein ganz anderes Spezialistentum für sich behaupten. Eines, das zum damaligen Osteuropa–Boom (der Banken und der Konzerne) passte. Er schätzte Geschäftschancen ein und legte Scheinrechnungen für frei erfundene Osteuropa-Projekte. Bei Porr soll ihm für Rumänien ein eigens beigestellter Porr–Mitarbeiter geholfen haben. Nach seiner Haft von 2015 kooperiert Hochegger allem Anschein nach mit der Justiz. Wenn Ja – zu Recht. Er ist ein vernünftiger und straffer Kopf, der über sich selbst soziologisch sprechen kann. Er sieht heute klar das schädliche „System, in dem sich Vorstände, Aktionäre und Politiker durch Insider-Informationen bereichern“ (Daniel Bischof über P. Hochegger, In: Wiener Zeitung online, 20.12.17) Doch wahrhaft durchdringend ist hier die Implikation eines Wortes von Horst Pöchhacker (mittlerweile verstorben). Sinngemäß: Erst wenn die Politik ganz oben die Großkorruption einfach nicht will, wird diese weitgehend verschwunden sein.

© M.Luksan, Februar 2018

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