DAS IST DIE HOMEPAGE VON MARTIN LUKSAN UND DES VEREINS FÜR RHETORIK UND BILD

 
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Gewitztheiten der Modernen Kunst

Ein Student betrachtet ein Objekt aus Sperrmüll drei Minuten lang höchst aktiv. Dann gibt er es auf, das Objekt steht noch immer da, aber es wirkt jetzt entzaubert und scheint nur noch zu sagen: Ich stünde nicht hier, wäre ich keine Kunst! ... In einer Gerätescheune oder auf einem Dachboden würde das besagte Objekt wenig auffallen, doch zwischen den weißen Wänden einer Galerie ist es herausgestellt wie eine Reiterstatue in einem Park. Die Galerie hat eine gute Adresse, sie hat einen bekannten Namen und sie stellt berühmte Künstler aus. Also muss auch dieses Werk eines noch nie gehörten Schöpfers einen gewissen Wert besitzen. Diesen Wert kann der junge Betrachter trotz Aufgeschlossenheit und Gutem Willen nicht erkennen. Er sagt aber nicht „Das ist wertlos“, sondern „Ich verstehe nichts von dieser Art von Kunst“. Damit übernimmt er die Verantwortung für das Misslingen einer „Kommunikation“.
Die Forschung könnte nun fünfhundert Personen, gut durchmischt, an das Objekt heranführen und die Erfahrungen mit dem Ding erfragen. Angenommen, das Gros der Testpersonen gewinnt den gleichen Eindruck wie der Student, so wird die Frage nach der Bewertung schon sehr dringlich. Man sieht dann, wie der Wert des Objekts festgestellt wurde und entdeckt die undemokratische Entscheidungsfindung.

Das wahrlich Unangenehme an moderner Kunst ist folgendes Prinzip: Ein jeder Einzelne kann Kunst machen, ist aber nicht kompetent, zu sagen, dass er Kunst produziert hat. Damit fährt hier die Logik auf zwei Geleisen. Für die Herstellung von Kunst wird grenzenlos Bewusstsein zugestanden, doch bei der Einschätzung der erbrachten Leistung ist der Einzelne bewusstlos. Tatsächlich sieht man überall Werke oder Aktionen, die die Künstler lang und breit begründen, aber nirgendwo einen Schöpfer, der sich hinstellt und sagt, dass ihm diesmal etwas Wertvolles gelungen ist. Diese Ahnung – und diese Gewissheit – haben hier nur Wenige, nur Auserwählte (mit Geschäftssinn und pompöser Metaphorik), die exklusiv untereinander vernetzt sind, nur diese Personen wissen, was heute große Kunst ist.
Damien Hirst hat 2008 diese kleine Gruppe ausgeschaltet, als er seine Tigerhaie in Formaldehyd und eine Menge anderer Objekte auf einer Versteigerung bei Sotheby´s verkauft hat, ohne dass die Londoner Galeristen mit lizitieren konnten. Er verkaufte trotzdem alles, weil ihm das Auktionshaus und persönlich eingeladene Superreiche dabei halfen. So hat ein Künstler die Gruppe der Kunstbewerter selbst bestimmt. Eine Zeitlang sah er wie der ganz große, unabhängige Künstler aus, der machen kann, was er will, weil seine Kunst bereits „Markenkunst“ ist (Picasso am Ende seines Lebens), doch fünf Jahre später war der Wert seiner Objekte deutlich gesunken und die umgangenen Händler (und Kritiker) hatten ihn wieder eingefangen.
Dass der Wert eines Malers nicht wie eine Aktie ständig schwankt, zeigt das Beispiel Egon Schiele. Er erzielte in seinem Todesjahr 1918 und später um 1948 (da war er noch nicht weit bekannt) keine hohen Preise. Das änderte sich in den 1950 er Jahren schnell, der Wert seiner Bilder kletterte hoch und höher. Würde heute ein einzelner Schiele bei einer Auktion „liegen bleiben“ oder hinge er in einer Galerie unverkauft zwanzig Jahre lang an der Wand, so würde der Marktpreis von Schiele nicht beeinflusst. Das Gleiche gilt erst recht für einen Rembrandt oder Rubens. Diese Werke haben einen Wert in sich, der zB. über das Alter des Werkes, über die Größe des Bildes und über die Gediegenheit der Arbeit bestimmt werden kann (ungenügende Bestimmungen, die aber berücksichtigt werden). Und dieser Kunstwert erscheint nicht nur einer kleinen Händlergruppe plausibel, sondern auch einem größeren Publikum, das diese Werke kennt und anschaut (freilich nicht kaufen kann).
Es ist nur für das Kunstgeschäft, nicht für die Kunst von Vorteil, wenn es lediglich eines Auktionshauses und dreier Käufer bedarf, um den Wert eines Künstlers durch ein einmaliges Ereignis zu bestimmen. Im Fall von Hirst halfen Medien dabei mit, ein „Marktereignis“ zu suggerieren, doch in Wahrheit wurde nur die Gruppen-Qualifikation eines Künstlers durch eine Mini-Gruppe verengt.

In einer Beilage der „Wiener Zeitung“ (27.12.14) hat Anna Soucek die typische Genese eines heutigen Kunstgenies gut skizziert. Das Genie ist etwa dreißig Jahre alt, hat in London und in Düsseldorf studiert und in den USA abgeschlossen. In New York fällt es durch Wenig Arbeiten und Viel Feiern einem Galeristen, einem Mäzen oder einem Sammler ins Auge, der Lust verspürt, einen „Kunstgiganten“ zu erschaffen. Er kauft seinem Schützling zwei Dutzend großformatiger Bilder ab und bewirkt dann durch sein Netzwerk, das das eines reichen Mannes ist, eine Wertsteigerung der Bilder um viele hundert Prozent. In nur zwei Jahren. Wenn der Kunstmarkt das „frisst“, hat sich dieser Spekulant nicht nur durch einen Künstler bereichert, sondern darf auch mit gewissem Recht als ein Spiritus Rector Neuester Malerei gelten.
Der Modernen Kunst wird das Schwindlerische schon seit langem vorgeworfen. ZB. 1915, als sich mitten im Ersten Weltkrieg Kasimir Malewitsch den Zwängen der Mimesis entzog. Sein „Schwarzes Quadrat“ ist als das Gefühl der Gegenstandslosigkeit eines Malers ein Testbild, das nötig war. Es ist das Resultat eines der Reihen- Experimente der Malerei, durch das sich diese nach dem Ausstieg aus der Gegenständlichkeit neu begründete. Heute kann sie frei bestimmen, welche alten Kunstprinzipien sie auf der Basis modernen Wissens beachten will. Die Künstler selber können den direkten, den spontanen Zugang zu ihren ästhetischen Objekten erleichtern, dadurch dass sie mehr sinnliches Material als bisher (in der Moderne) ins Spiel bringen. Dadurch würden sie die Bedeutung der „gremialen Kunst“ einschränken und die Kunstgremien blieben mit ihren Objekten und den wenigen Käufern, die es dafür gibt, völlig unter sich.

Gewitztheiten der Modernen Kunst

Ein heutiger Maler (Herwig Kempinger), der das Medium Foto in seine Malerei bedeutungsvoll integriert, erklärte seinen Erfolg in den USA mit folgenden Worten: Ich habe in den USA ein paar tolle Leute kennen gelernt, die seither auch gute Freunde geworden sind. Das hat mir die Tür geöffnet. … Erfolg gab es für ihn dadurch, dass man zufällig die richtige Arbeit zur richtigen Zeit macht und dass zufällig jemand sie sieht, der sich dafür interessiert und die entsprechenden Schritte unternimmt.(H.K. In: Nora Schoeller, Ruth Horak, Betrifft: Fotografie – 21 Reportagen, Wien 2008, S. 65) Diese Abhängigkeit von geballtem Zufall ist schlecht, es sollte auch anders gehen.


© M.Luksan, Jänner 2015

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