Die Politiker sind ach so korrupt, verlangen Geld von denen, denen sie Staatsaufträge erteilen, lassen sich „anfüttern“, stehlen… so lauten die bekannten Vorwürfe an die Entscheidungsträger in Ämtern, Ministerien und Regierung. Mit „Korruption“ ist meistens die persönliche Bereicherung gemeint. Doch wozu sollten hoch dotierte Personen hohes Risiko auf sich nehmen, um zusätzlich Geld zu verdienen? Eine Erklärung, die nicht überzeugt, wird von einem Psychologen und Therapeuten folgendermaßen formuliert: „Menschen mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung (…) sind sehr auf Einfluss, Macht, Dominanz aus. Ihre innere Haltung lautet: Ich bin etwas Besonderes, daher steht mir etwas Besseres zu.“ (Karl Kriechbaum, In: Der Standard, 2./3.06.12, S. 9) Und ein Ex Kripo Chef deutet das besagte Fehlverhalten geradezu moraltheologisch: „Wenn ich etwa wie der Graf Alfons Mensdorff–Pouilly ständig mit riesigen Beträgen agiere und dann fallen für mich immer mehr Prozent an Provision für Geschäfte mit Ministerien ab, verliere ich auch jedes Gespür und Gefühl und würde denken: Das steht mir zu. Derartige Umsätze lassen einen auch ethisch abstumpfen.“ (Max Edelbacher, In: Der Standard, ebd. S. 9)
Es gibt für diese Korruption, Spekulation und Schieberei in wohl geordneten Milieus allein durch Psychologie und pessimistisches Menschenbild keine wirkliche Erklärung. Denn es macht in einem System niemand Karriere, der dauernd andere übervorteilt oder gar bestiehlt; ferner erlaubt keiner, der mit Silber bezahlt wird, dass sein Nebenmann im System, der das Gleiche leistet, mit Gold bezahlt wird; und schließlich kennen die Chefs großer Firmen oder von Regierungen die Führungspersonen, die sie einstellen, ungewöhnlich gut.
Wolfgang Schüssel lieferte ein perfektes Beispiel seiner bekannten Heuchelei, als er sich über den notorischen Strasser wie folgt äußerte (Strasser war gerade wegen nachgewiesener Bestechlichkeit in allen Medien zur persona non grata aufgestiegen). Sinngemäß: „Ich kannte Strasser durchaus. Doch das, was ich dann erfuhr, hat mich sehr enttäuscht.“ In Wahrheit wurden Strasser, Grasser, Gorbach und Co. als verlässliche Akteure eingesetzt, um durch Schaffung von Privateigentum den österreichischen Staat schnell, entschlossen und diskret zu schwächen. Im Zuge von Entstaatlichung wurde dann Geld für die – regierenden – Parteien abgezweigt.
Die großen Medien verschweigen die Details nicht, sie liefern sie aber nur disparat. Man erfährt zB., dass der Kabinettchef von Ernst Strasser für Reisen in der „Causa Tetron“ karenziert worden ist. An anderer Stelle steht, dass die Abfindung für den Konzern „Mastertalk“ (damit er aus einem wirksamen Vertrag ausstieg) der Republik 30 Millionen Euro kostete. Und an einer dritten Stelle darf man lesen, dass Mensdorff-Pouilly 3,6 Millionen Provision von „Motorola“ und einer zweiten Firma erhielt. Das ergibt ein Durcheinander von Nachrichten, eine Abfolge von Zufällen, die Einzelkämpfer im Kampf um den schnöden Mammon nahe legen. In Wahrheit arbeitet sich die „Logik einer Partei“ durch (die nicht die Logik einer Gesamtpartei sein muss!): Ernst Strasser schaut sich nach einem Riesenauftrag um, den das BM.I erteilen könnte. Da fällt sein Blick auf das digitale Funksystem für Einsatzkräfte, das an „Mastertalk“ schon für vergeben ist. Da kommt der Chef von „Alcatel Österreich“ und schlägt dem Geschäftsführer von „Tetron“ vor, dem BM.I ein Angebot für das Funknetz zu machen. Zufällig ist der Chef ein Bundesrat der ÖVP. Das Funknetz wird gekündigt – Schüssel wird davon gehört haben – und neu ausgeschrieben. Jetzt muss ein vertrauenswürdiger Berater her, von dem man weiß, dass er nicht am Hungertuch nagt und die überhöhten Beratungskosten nicht selbst verschlingen wird. Das ist der bewährte Graf (der mit BAE ein wenig so verbunden ist wie einst Zaharoff an Vickers hing). Der Kabinettchef besucht ihn da und dort, in England und anderswo, damit bei der Durchführung der hohen Geldflüsse nichts schief geht. Dieser Einfall einer Geldabzweigung kommt dem österreichischen Steuerzahler sehr teuer.
Über das Verhältnis von Leo Wallner zu Heinz Jungwirth wurde durch Gericht und Zeitungen folgender Dialog bekannt. Jungwirth sinngemäß: „Dafür brauchen wir aber ein eigenes Konto.“ Und Wallner sinngemäß: „Ja aber das muss nicht in der Buchhaltung sein.“ Hier ging es um Geld des IOC (Internationales Olympisches Komitee), das beim ÖOC abgezweigt wurde. Auch wenn man Jungwirth, unter einem Geweih sitzend, lebhaft vor Augen hat, kann man einfach nicht glauben, dass alles fehlende Geld bei ihm geblieben ist…. Wer aller Geld an sich nahm, bleibt hier wie überall das eigentliche Geheimnis, das die Elsners und Jungwirths natürlich nicht lüften. Und Psychologie ist für ein System mit derartigem Zwang von herabgesetztem Wert. Denn all diese hoch gestellten Personen kamen nicht primär deshalb auf die Idee, fremdes Geld in dunkle Kanäle zu lenken, weil sie so narzisstisch sind (oder es ihnen Spaß macht, Schlimmes zu tun), sondern weil das Abzweigen bereits eine Tradition in ihrer Institution hat und weil sie durch ihre Position die dafür nötige Souveränität inoffiziell erhalten.
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