DAS IST DIE HOMEPAGE VON MARTIN LUKSAN UND DES VEREINS FÜR RHETORIK UND BILD

 
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Gibt es "einheitliche und gute Macht"?

Große Medien beachten weltweit genau, welche Position jemand innerhalb einer Institution oder außerhalb einnimmt. Sie versuchen dabei, die Macht nicht zu personalisieren. Die Journalisten in Österreich aber zeigen uns die Welt in der Art der Welttheater-Autoren. So sind sie nicht nur fromm gegenüber der Position eines Finanzstadtrates, sondern auch gegenüber der Person, die dieses Amt zufällig inne hat. Sollte sich ein Konflikt zwischen der Stadt Wien und dem Finanzministerium wegen des "Bundesausgleiches" ergeben, so nehmen sie die übergeordnete Position eines Beobachters ein, der im Namen eines "inneren Friedens" oder eines "Wohles des Landes" eine rasche Einigung verlangt. Die weniger frommen Karikaturisten stellen einen solchen Konflikt als "Duell" zwischen zwei Personen dar, was ebenfalls eine Personalisierung darstellt. Die besagte Berichterstattung unterlässt es meist, die Hintergründe des Konflikts zu erläutern und zu sagen, welcher Streitpartner die besseren Argumente hat. Stattdessen wird Konsens gefordert, Respekt gegenüber den hochgestellten Personen bekundet und Neutralität zur Schau gestellt.
Dichand und Zilk 1993









Im Fall Kampusch hatten sich Gerichte und großen Medien darüber geeinigt, dass Natascha Kampusch, die an ihrer public relation zähe wie an einer Karriere arbeitet, ein hundertprozentiges Opfer sei. Richter Adamovich stellte diese Opferthese in Frage und zweifelte zudem das Einzeltätertum des Entführers Prikopil an. Dadurch verletzte er einen Konsens der Macht. Hätte der angesehene Jurist das für die Öffentlichkeit geschaffene Bild nicht attackiert, so wäre er von keinem, österreichischen Gericht nur wegen eines saloppen Wortes - gegenüber der Mutter des Opfers - verurteilt worden. Die Verurteilung von Adamovich strafte eine Gegenhaltung, nicht einen sprachlichen Ausrutscher ab ... Und im Falle Fuchs wurde ein großes Freskobild für die Öffentlichkeit vereinfacht, indem sämtliche Attentate, einschließlich die Morde in Oberwart, sowie der Selbstmord des Franz Fuchs als die Taten eines Einzeltäters festgeschrieben wurden. Sogar Michael Sika, der alle Fakten kennt, äußerte sich in seinem Buch "Mein Protokoll" seltsam fromm zur öffentlichen Lesart dieser Vorkommnisse. Wir bestehen dabei nicht auf Verschwörung, sondern wollen nur, dass die aufregende Deutung gegenüber der harmlosen und undichten Lesart offen gehalten wird; denn auch die harmlose Deutung lässt eine Menge Fragen offen.

Hans Rauscher hat im "Standard" seinen Überdruss an Verschwörungstheorien bekundet, ohne das journalistische Problem zu beachten. Solange ein Fall nicht zureichend aufgeklärt ist, ihn die Macht aber für die Öffentlichkeit abschließt, werden Spekulationen über Vertuschung und heimliche Verabredung genährt. Und es ist nicht Aufgabe des Journalisten, dem berechtigten Ordnungs-, Sicherheits- und Friedensinteresse des Staates durch fromme Leitartikel entgegen zu arbeiten. Er soll vielmehr die Aktualität und die Wirklichkeit, die momentan gegeben sind, wahrheitsgemäß festhalten; auch auf die Gefahr hin, dass Fragen offen bleiben. Nur der Staat hat im Ausnahmefall das Recht, zum Beispiel den Mörder an Exilpolitikern aus Österreich entkommen zu lassen, um der Republik Ärger mit einer ausländischen Macht zu ersparen. Dem Journalisten wächst dieses ungeschriebene Recht der Staatsräson nicht zu, er muss auch beim Kurdenmord so nah wie möglich von den realen Vorgängen berichten, egal ob das dem Ansehen des Landes schadet oder nicht.
Nimmerrichter und Haider 1986

Nur die "Kronen Zeitung" hat in Österreich so viel Autonomie, dass sie eine Bundesregierung kritisieren und sogar Stimmung gegen sie machen kann (so geschehen bei Sinowatz und bei Schüssel). Alle andern maßgeblichen Zeitungen sind von Subvention nicht unabhängig, sie genießen direkt oder verdeckt beträchtliche Vorteile durch die öffentliche Hand. Doch selbst die "Kronen Zeitung", die sich ganz der journalistischen Wahrheit hingeben könnte, ordnet ihre Berichterstattungen und Meinungen einem "Wohl des Lesers" unter, zu dem die Bewunderung von Christoph Schönborn oder die Beschützung Österreichs vor einem "Weltkongress der Juden" genauso dazu gehört wie die Kritik an der EU. Es ist selbst bei dieser Zeitung nicht gewiss, dass sie nicht bei einem "zweiten Fall Fuchs" oder einem "zweiten Fall Amry" an einem bestimmten Punkt abschaltet, um das von der Macht "gewünschte Bild" Österreichs zu präsentieren.

Politische Macht ist in der Demokratie durch Abstimmungen legitimiert, großen Medien liegen keine Abstimmungen zugrunde. Wenn sich diese beiden Mächte miteinander verbünden, entsteht eine unangreifbare Macht, die kurzfristig nicht mehr in Frage gestellt werden kann. Denn die durch Medien geschaffene Öffentlichkeit bietet außerhalb von Wahl den einzigen Bereich, wo Kritik sofort wirksam ist und nicht leicht unterdrückt werden kann. Diese Öffentlichkeit tritt in Österreich als konsensuale Macht auf, die nichts mehr außerhalb ihrer hat. Sie dient angeblich der ganzen Nation, hat kein partielles Interesse mehr. Beim einem Programmpunkt einer Partei wird der partielle Aspekt bereitwillig betont, aber nicht bei einem Fall wie dem von Klaus Amry. Dort, wo ein österreichischer Botschafter im Ausland mysteriös verstirbt, nachdem er vorher im Alleingang die Durchführung eines Waffengeschäftes zwischen Österreich und Persien blockierte, sehen alle großen Medien im Land früher oder später ein nationales Interesse am Werk, für das sie die Berichterstattung abbrechen und das Geschehene als "ganz normal" zusammenfassen.
Kunz und Kirchschläger 1987

In den USA wird die Verletzung eines populären Bildes von einem Ereignis oder einer Person nicht strikt geahndet; wie etwa die Infragestellung von Pastor Ted zeigt, der lange Zeit im Fernsehen die Homosexuellen verfolgte und am Ende selber der Homosexualität überführt wurde. Der Schutz der Persönlichkeit wird in den USA nicht übertrieben. Dafür bestraft man dort das öffentliche Weglügen von erwiesenen Fakten, wie der Fall Nixon/Watergate beweist.
Überhaupt wird seit Nixon jeder zweite amerikanische Präsident von einem Teil der großen Medien aufs Härteste attackiert (Clinton, Bush, Obama), ohne dass deshalb die amerikanische Öffentlichkeit den Staatenbund der USA gefährdet sieht.

In den USA sind die Verbindung der Person mit ihrem Amt und der Begriff von Macht nicht so personalisiert - und so untertanenhaft gedacht. Die Macht in Österreich ist einheitlich und gut (spätestens dann, wenn sie auf dem Konsens großer Gruppen beruht). Deshalb nimmt ganz Österreich daran Schaden, wenn Thomas Klestil seine Frau Edith mit Margot Löffler betrügt. Der Zorn über diese "Wertminderung" des Landes kann sich vielleicht sogar gegen Edith Klestil richten, weil sie mit ihrer Anklage in die Öffentlichkeit ging. Auch kEdith und Thomas Klestilann kein Bundeskanzler, egal was er macht, schonungslos kritisiert werden, weil er ja die oberste Macht repräsentiert. Man würde das Land destabilisieren, wenn man die Person Klestil von seinem Amt ablöst und nach einer würdigeren Person verlangt. Wenn nun die Macht immer schon einheitlich und gut ist, dann gibt es keinen Ort mehr für eine vernünftige Kritik am Ganzen. Die Kritik des isolierten Einzelnen gilt in Österreich als unvernünftig. Sie wird ignoriert. Und die Macht erscheint hier niemals abgegrenzt vom Rest der Gesellschaft - wie in den USA. In Österreich gibt es - scheinbar - keine wirkliche Pluralität und keinen echten Antagonismus, nur das Konzert der Macht.


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