DAS IST DIE HOMEPAGE VON MARTIN LUKSAN UND DES VEREINS FÜR RHETORIK UND BILD

 
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Nichts was dir selbst gehört


Er hatte gerade die Hauptschule abgeschlossen oder die Oberstufe des Gymnasiums eben erst betreten, als er während der Radiosendung anrief und dem Gerichtspräsidenten eine Frage stellte. Auch ältere Personen wurden durch den Promi-Juristen fein belehrt. Der junge Mann schnitt die Karte aus der Tageszeitung aus und schickte sie an die Redaktion, damit diese wusste, wen er für das „bestangezogene Paar“ im Lande hielt. Er blieb jedoch der Wahl zum Nationalrat fern, weil er die Lust noch nicht verspürt hatte, sich das „Gezänk der Parteien“ durch politische Begriffe zu erklären. Dann sah er eine Fernsehdiskussion, in der der Stadtrat die Bürgernähe verkörperte, der Werbefachmann der Kulturkritiker war und der Industrielle die Konsumenten schützte. Der Diskussionsleiter bat das Publikum, die Standpunkte abzuwägen und sich ein eigenes Urteil zu bilden. Der junge Mann gelangte zu einer eigenen Meinung, die er als Brief an den Sender schickte, der ihn aber als Gewinner des Plattenspielers nicht ausloste. In einem Werbespot trat der Fabrikant Toni Arnsteiner mit dem Skifahrer Franz Klammer wie der Vater mit dem Sohn auf. Es war aber nicht die Liebe, sondern das Geld der Grund, weshalb der „Sohn“ den Thermo-Rennski des „Vaters“ in die Welt hinaustrug. So lernte der junge Mann fast täglich ein neues Bild der uferlosen Welt kennen und keines war mit sich identisch. Diese Mehrdeutigkeit konnte er aber nur bei einer Schauspielerin reizvoll finden, wenn sich diese als „Hure und Dame“ auf einem Kanapee räkelte, wohingegen ein öffentlicher Mann verwirrend und ekelerregend für ihn war, wenn er „Bergwandern und schnelles Autofahren“ als seine Hobbies angab. Irgendwann merkte dann der junge Mann, dass der Bedeutungsnebel kein Missgeschick, sondern das Wesen der Werbung war und dass das Vernebeln oder Anreichern mit Bedeutung nicht nur Spaß und Anregung erzeugte, sondern auch eine eigene, nur von Werbung ausgelöste Angst. Er würde vielleicht eines Tages kein schnelles Auto haben und keine Hure und Dame im Ehebett vorfinden – ja er würde überhaupt nie das pralle Leben der öffentlichen und reichen Leute führen und außerdem gezwungen sein, sich dafür tiefreichend zu schämen.


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